Geförderte Projekte

Ausschreibungsergebnisse nach Kalenderjahren

Ausschreibungsergebnisse nach Instrumenten / Programmlinien

Projekte der gemeinsamen deutsch- österreichischen Ausschreibung 2013

FORMA (Forced Marriage) - Lagebericht Zwangsverheiratung in Österreich

|   Call 2021

Das Projekt unternimmt eine multidimensionale Standortbestimmung zum Thema Zwangsverheiratung und versteht sich als Beitrag zu evidenzbasierter Politik- und Maßnahmengestaltung in den Bereichen Sicherheit und Migration in Österreich. Auf Basis einer umfassenden Darlegung der nationalen und internationalen Rechtslage werden mittels multidimensionaler und multidisziplinärer Analyse eine verbesserte Datenlage sowie Handlungsgrundlagen für eine gesteigerte Effektivität von Maßnahmen zu Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung geschaffen.

Österreich ist nicht frei vom Phänomen Zwangsheirat, das eine gravierende Menschenrechtsverletzung darstellt; das wahre Ausmaß ist nicht bekannt. Die Kriminalstatistik bildet nur die „Spitze des Eisbergs“ ab, da diese Straftat und damit verbundene Problemlagen nach wie vor stark untererfasst sind. Zwangsverheiratung geht oftmals mit Vorbereitungshandlungen außerhalb Österreichs einher und spielt sich zudem im schwer zugänglichen, höchstpersönlichen Lebensbereich ab. Des Weiteren erschweren konzeptuelle Abgrenzungsprobleme, etwa zur Aufenthalts- oder Scheinehe und zu ausbeuterischen Formen im Zusammenhang mit Menschen- bzw. Kinderhandel, sowie mangelnde Ursachenforschung sowohl eine effektive Strafverfolgung als auch einen adäquaten Opferschutz. Indem die EU jüngst in ihrem Vorschlag zur Änderung der Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels die Zwangsheirat als Ausbeutungsform explizit aufzählt, trägt sie den schweren Eingriffen in die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung Rechnung, die typischerweise mit diesem Verbrechen einhergehen.

Ausgehend von der aktuellen österreichischen und internationalen Rechtslage, einschließlich Judikatur und einschlägiger menschenrechtlicher Standards, nimmt das Projekt zunächst eine grundsätzliche Begriffsschärfung und konzeptuelle Abgrenzungen vor. Daran knüpft eine multidimensionale Ursachenanalyse als Basis für die Erarbeitung von Risikoprofilen an, sowie die Analyse, welche Daten für die Identifikation von Problemlagen insbesondere auf Seiten potentieller Opfer benötigt und wie solche Daten erhoben werden könnten. Schließlich werden Vorschläge für präventives Handeln in potentiellen Risikolagen entwickelt.

m das Ausmaß möglichst umfassend und realistisch zu erfassen, wird anhand verschiedener Fallkonstellationen versucht, alle Formen von Zwangsverheiratungen aufzuzeigen. Welche Aspekte und Ursachen spielen einer Rolle, worin liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten, was bedeutet überhaupt “Zwang”? Kann es sich um Umgehungsformen von Aufenthaltsbestimmungen durch eine Person handeln, wenn diese Opfer von Zwang und / oder Ausbeutung, vielleicht sogar von Menschenhandel geworden ist? Welche Rolle spielen Familienstrukturen, Perspektiven- bzw. Bildungslosigkeit, ökonomische und soziale Abhängigkeiten? In diesem Sinn versteht sich das Projekt auch als Beitrag zu evidenzbasierter Migrationspolitik und allgemein zu Migrationsforschung in Österreich.

Einen eigenständigen Fokus wird das Projekt auch auf die Situation von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf “Kinderehen” bzw. Früh- und Zwangsverheiratungen richten. Als genderbasierte Gewaltform richtet sich Früh- und Zwangsheirat vordergründig gegen Mädchen, aber keineswegs ausschließlich. Jedenfalls müssen in diesem Kontext Genderaspekte (und damit einhergehend auch die Rolle von Männern und Burschen) in der Ursachenanalyse miteinbezogen werden.

Eine besondere Herausforderung des Projekts liegt in der Auseinandersetzung mit "Zwang". Welche Einschränkungen der Handlungsautonomie sind hier relevant, müssen sie explizit sein oder reicht schon impliziter Zwang? Braucht eine Ehe einen klaren Gegenwillen, um als Zwangsehe zu gelten? Inwiefern muss dieser Gegenwille für das Umfeld erkennbar sein, was sagt eine vermeintliche Zustimmung aus? Im Migrationskontext verschärft sich diese Auseinandersetzung, wenn Frauen und Mädchen zur Flucht und gegebenenfalls auch zu einer Ehe gezwungen werden, um an einen vermeintlich sicheren Ort zu gelangen. Fallen diese Betroffenen in den Schutzbereich des rechtlichen Begriffs Zwangsehe? Zum Zweck einer multidimensionalen Standortbestimmung wird einerseits Feldforschung in Form von qualitativen Interviews mit relevanten Stakeholdern (Sicherheitsbereich/Strafverfolgung, Behörden und Gerichte, Opferschutzeinrichtungen etc.) eingesetzt, andererseits erfolgt eine breit gefächerte Analyse der verfügbaren quantitativen Datenlage. Ein interdisziplinäres Projektteam, das sowohl rechtswissenschaftliche als auch praktische Erfahrungen mit direkt Betroffenen einbringt, gewährleistet, dass Forschung und Praxis zielorientiert verknüpft, Trends und zukünftige Herausforderungen herausgearbeitet und Handlungsmöglichkeiten für staatliche Akteure, Opferschutzeinrichtungen und für Betroffene selbst signifikant erweitert werden können.

ProjektleiterIn
Maryam Alemi M.A, B.A, Rechtsberatung, Caritas der Erzdiözese Wien

weitere Projekt- bzw. KooperationspartnerInnen
Verein Orient Express - Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen
Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte
Universität Wien, Institut für Strafrecht und Kriminologie,
Bundesministerium für Inneres
Bundeskanzleramt – Frauensektion

Kontakt
Maryam Alemi, M.A, B.A
Rechtsberatung
Caritas der Caritas der Erzdiözese Wien – Hilfe in Not
Mariannengasse 11
1090 Wien
+43 676 676 6461
maryam.alemi@caritas-wien.at